Zustand des Inn

Der Inn ist über viele Jahrhunderte stark beeinflusst und verändert worden. Die langjährige Nutzung des Flusses hat seine ökologische Qualität beeinträchtigt.

Eine neue Studie des WWF zeigt, dass der ökologische Zustand flussab immer schlechter wird.

Vom ursprünglichen Wildfluss mit Umlagerungsstrecken, ausgedehnten Auwäldern und großem Artenreichtum ist heute jedoch nur noch wenig erhalten geblieben.

Das aktuelle Erscheinungsbild des Inn ist die Folge seiner jahrhundertelangen Nutzungsgeschichte. Vor allem in den letzten 100 Jahren wurde massiv in die Struktur des Flusses eingegriffen. Der Inn wurde begradigt und eingedämmt, seine Ufer verbaut. Seit den 1930er Jahren wird der Fluss auch für die Stromerzeugung genutzt. Inzwischen wurden an seinem Lauf 24 Wasserkraftwerke errichtet, die Abfluss- und Geschiebeverhältnisse an den betroffenen Strecken grundlegend verändert haben.

Milser Au 1959

Milser Au 1991 Orthofoto Ost

Österreichs längste freie Fließstrecke
Mit dem circa 150 Kilometer langen Abschnitt zwischen Fließ und Kirchbichl weist der Inn aber auch die längste freie Fließstrecke aller österreichischen Flüsse auf. Zudem wurden in den letzten Jahrzehnten in allen drei Anrainerstaaten Renaturierungsprojekte umgesetzt, um den Inn wieder lebendiger zu machen. An einigen Flusskraftwerken wurden auch Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, um die naturschutzfachliche Qualität des Flusses zu verbessern.

Gleichzeitig werden aber noch immer Kraftwerke am Inn geplant und gebaut, welche die Lebensräume im und am Fluss weiter beeinträchtigen.

Akutelle Studie

Der Inn – wie naturnah ist die Lebensader der Alpen?

Der ökologische Zustand des Inn ist Gegenstand der Studie „Ökologischer Zustand und Potenzial des Inn in der Schweiz, Österreich und Deutschland“, die vom WWF beauftragt und 2015 vom deutschen Planungsbüro PAN durchgeführt wurde.

Die Studie bietet erstmals eine Gesamtübersicht des Inn
Vom Ursprung in der Schweiz bis zur Mündung in die Donau gibt es Untersuchungen zur naturschutzfachlichen Bedeutung des Inn bzw. einzelner Flussabschnitte. Eine Gesamtübersicht fehlte jedoch. Diese liegt nun mit der neuen Studie erstmals vor.
Als Grundlage für die gewässerökologischen und naturschutzfachlichen Bewertungen dienten ausschließlich offizielle Daten (EU-Wasserrahmenrichtlinie, Bewirtschaftungspläne oder Daten des Schweizer Bundesumweltamtes). In einzelnen Fällen wurden die Daten durch Luftbildkontrollen (z. B. Staubereiche in Deutschland) oder durch die Befragung örtliche Experten ergänzt.

Die Bewertungen erfolgten anhand von fünf Kriterien (Abflussverhältnisse & Geschiebeführung, Gewässermorphologie, Vorkommen auentypischer Lebensräume, biologische Durchgängigkeit, Nutzung in der Talaue) und wurden von „herausragend“ bis „sehr gering“ eingestuft.

Die fünf maßgeblichen Kriterien

1. Abfluss und Geschiebe: tosendes Wasser oder Staubecken mit Rinnsal

Die Ausleitung von Wasser verändert den Charakter des Flusses ebenso wie Staustufen. Flussabwärts führen solche Eingriffe zu einem Mangel an Sand, Schotter und Steinen (Geschiebe) und einer Eintiefung des Gewässers. Durch die Isolation des Hauptflusses von der Au zerfällt das Flussökosystem in Einzelteile und verliert an Dynamik und Leben.

2. Gewässermorphologie: Kiesbänke oder Flussautobahn

Ein dynamischer Wildfluss verändert stetig seinen Lauf, reißt Ufer ein, bildet anderswo neue und schafft so Strukturvielfalt im Gewässer. Dadurch sind die Gewässersohle und die Ufer einem ständigen Wandel unterworfen. Eine reichhaltige Fauna und Flora hat sich an diese überlebenswichtigen Bedingungen optimal angepasst. Begradigte und verbaute Flüsse mit monotonen Ufern und verschlammter Gewässersohle sind dagegen sehr artenarm.

3. Auentypische Lebensräume: Artenvielfalt vor der Haustüre

In naturnahen Flussauen existiert ein Mosaik aus Auwäldern, Tümpeln, Kies- und Sandinseln, Flach- und Steilufern. Darin leben Tier- und Pflanzenarten – vom Biber über Flussregenpfeifer, Gelbbauchunke und Kurzflügelkäfer bis hin zum Zwergrohrkolben und der Deutschen Tamariske – in einer Gemeinschaft, die in unserer Kulturlandschaft so nicht mehr zu finden ist.

4. Biologische Durchgängigkeit: Bewegungsfreiheit oder Sackgasse

Flüsse sind ökologisch bedeutsame Lebensräume, die verschiedene Landschaften und Regionen miteinander verbinden. Viele Tierarten brauchen sie für ihre Wanderungen, sogar für Pflanzen sind sie Brücken zur Ausbreitung. Unterbrechungen im Flusskontinuum durch Wasserkraftwerke, Wehre und Flussverbauungen wirken sich nachteilig auf die Lebensbedingungen und das Überleben von Fischen und anderen
Wasserorganismen aus.

5. Nutzung in der Talaue:

Durch die starke Besiedelung entlang des Inn hat sich auch der Druck auf flussnahe Bereiche erhöht. Dabei kann zwischen einer eher naturnahen Nutzung (Land- und Forstwirtschaft) und einer naturfernen, intensiven Nutzung (Verkehrs- und Gewerbeflächen) unterschieden werden.

 

Naturfluss als Leitbild für den Inn

Die Bewertung der einzelnen Kriterien orientiert sich am Leitbild eines naturnahen Alpenflusses mit natürlichen Abfluss- und Geschiebeverhältnissen, Umlagerungsstrecken, unbeeinträchtigten Wandermöglichkeiten für Fische und andere Gewässerlebewesen sowie einer angepassten Nutzung in der Aue.


Je nach Grad der Naturnähe werden die Kriterien in folgende Stufen eingeteilt:

Daraus ergibt sich der ökologische Zustand des Inn:

Das Ergebnis der Bewertung ist ernüchternd: Nur noch etwa ein Prozent der Fließstrecke ist unverändert.